Gebrauchte Windows-10-PCs vor dem Aus? Warum die Kreislaufwirtschaft jetzt am Scheideweg steht

Millionen voll funktionsfähiger Computer drohen in den kommenden Monaten vorschnell aus dem Verkehr gezogen zu werden – nicht etwa wegen technischer Defekte, sondern aufgrund neuer Listenrichtlinien großer Marktplätze für wiederaufbereitete Elektronik. Plattformen wie refurbed, Back Market und Amazon Renewed beginnen damit, Windows-10-Geräte mit älteren Intel-Prozessoren (vor der 8. Generation) aus ihrem Angebot zu entfernen.

Die Maßnahme folgt der Roadmap von Microsoft, die für Windows 10 das Support-Ende am 14. Oktober 2025 festgelegt hat. Geräte ohne Upgrade-Möglichkeit auf Windows 11 gelten daher als Auslaufmodelle. Doch diese Praxis steht im klaren Widerspruch zu den Nachhaltigkeitsversprechen, mit denen sich viele dieser Plattformen auf dem Markt positionieren.

Stimmen aus der Branche fordern Umdenken

Eine der lautesten kritischen Stimmen ist derzeit Kristián Keleman, Chief Sales Officer beim slowakischen Refurbishment-Unternehmen Furbify. In einem offenen Brief appelliert er an die Marktplätze, diese Strategie zu überdenken. Seiner Meinung nach sei es weniger eine technische Notwendigkeit als vielmehr eine bequeme Entscheidung, die dem Prinzip echter Kreislaufwirtschaft widerspricht.

„Statt Geräte einfach auszulisten, könnten die Plattformen Rahmenbedingungen für eine verantwortungsvolle Weiternutzung schaffen“, so Keleman. Dazu gehöre unter anderem die Aufklärung der Nutzer über kostenpflichtige Extended Security Updates (ESU), mit denen ein sicherer Betrieb von Windows 10 auch nach dem offiziellen Support-Ende möglich ist.

Microsoft gibt den Takt vor

Der Stichtag ist gesetzt: Ab dem 14. Oktober 2025 wird Microsoft für Windows 10 keine kostenlosen Sicherheitsupdates oder Patches mehr bereitstellen. Nutzer können jedoch im Rahmen eines ESU-Programms weiterhin Updates erhalten – gegen Gebühr.

Gleichzeitig bleibt das kostenlose Upgrade auf Windows 11 nur einer begrenzten Zahl von Geräten vorbehalten. Die Hardware-Anforderungen sind hoch: Neben einer mindestens 8. Generation eines Intel-Prozessors müssen Geräte über TPM 2.0 und Secure Boot verfügen. Damit fällt ein erheblicher Anteil älterer, aber leistungsfähiger Computer durchs Raster.

Nutzbar, aber nicht mehr verkaufbar

Besonders problematisch: Viele der betroffenen Geräte sind weiterhin performant und im Alltagseinsatz unverzichtbar – sei es in Schulen, kleinen und mittleren Unternehmen oder in Privathaushalten. Mit der richtigen Aufklärung und geeigneten Sicherheitsmaßnahmen könnten sie noch jahrelang zuverlässig betrieben werden.

Die Entscheidung der Marktplätze, diese Geräte proaktiv auszulisten, treibt sie jedoch verfrüht in Richtung Recycling oder gar Entsorgung. Tausende potenziell noch brauchbare Computer geraten so auf direktem Weg in den Elektroschrottstrom – ein herber Rückschlag für die Bemühungen um mehr Kreislaufwirtschaft in der IT-Branche.

EUREFAS soll aktiv werden

Keleman fordert in seinem Schreiben auch die europäische Refurbishment Association EUREFAS zum Handeln auf. Er mahnt, dass passives Zusehen in dieser Frage de facto einer Zustimmung zur geplanten Obsoleszenz gleichkomme. Stattdessen müsse sich der Verband für offene und inklusive Weiterverkaufsrichtlinien starkmachen.

Denn die Branche steht an einem entscheidenden Wendepunkt: Folgt sie blind den Vorgaben großer Softwarekonzerne – oder übernimmt sie die Führung bei Wiederverwendung und echter Nachhaltigkeit?

Ein Lackmustest für die Refurbishment-Industrie

Die aktuelle Entwicklung offenbart ein grundlegendes Dilemma: Die Interessen von Software-Anbietern und die Ziele der Kreislaufwirtschaft laufen zunehmend auseinander. Während Unternehmen wie Microsoft verständlicherweise Sicherheitsstandards hochhalten wollen, dürfen solche Standards nicht zum Deckmantel für künstlich verkürzte Produktlebenszyklen werden.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass Marktplätze und Refurbisher selbstbewusst für differenzierte Lösungen eintreten. Dazu gehört:

  • Transparente Kommunikation: Käufer sollten klar über den Support-Status und mögliche Risiken informiert werden.
  • Optionen für ESU: Kunden könnten gezielt auf die Möglichkeit kostenpflichtiger Sicherheitsupdates hingewiesen werden.
  • Flexiblere Listenrichtlinien: Geräte mit noch ausreichender Performance sollten nicht pauschal ausgeschlossen werden.

Die Verantwortung liegt bei allen Akteuren

Natürlich ist auch der Gesetzgeber gefragt. Initiativen auf EU-Ebene wie das Recht auf Reparatur oder verbindliche Mindestnutzungsdauern könnten wichtige Impulse geben. Doch die erste Verantwortung liegt bei den Plattformen selbst. Wer sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, muss dies auch dann unter Beweis stellen, wenn es unbequem wird.

Für Global Circular Tech (GCT) und viele andere Akteure im Bereich der Kreislaufwirtschaft steht fest: Jedes elektronisches Gerät, das nicht verfrüht aus dem Verkehr gezogen wird, spart Ressourcen, reduziert CO₂-Emissionen und schont die Umwelt.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Branche bereit ist, diesen Weg konsequent zu gehen – oder ob wirtschaftliche Erwägungen und regulatorischer Konformismus am Ende die Oberhand behalten.

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